Dieses Modul führt Schritt für Schritt durch die Fünf Schritte der Funktionellen Klauenpflege. Es enthält unter anderem Videos, die Klauenpfleger Markus Stumpf bei der Klauenpflege von mehreren Kühen zeigen. Es werden typische Klauenbefunde und häufige Fehler bei der Klauenpflege sowie Möglichkeiten zu deren Vermeidung vorgestellt.
Ziel der Funktionellen Klauenpflege
Die Funktionelle Klauenpflege wurde zu Beginn der 60er Jahre von E. Toussaint Raven in den Niederlanden entwickelt und gilt aufgrund der einfachen Darstellung und des durchschlagenden Erfolgs in der Praxis als Standardanwendung und als offizielle Lehrmethode in allen deutschen Klauenpflegeschulen.
Ziel der Funktionellen Klauenpflege ist es, eine korrekte Gliedmaßenstellung und die gleichmäßige Belastung an allen Klauen zu erreichen. Das wird durch eine Anpassung der Lastverteilung sowohl an der Einzelklaue als auch innerhalb des Klauenpaars erreicht. Aus Bild 1 geht hervor, wie die Klaue vor und nach der Funktionellen Klauenpflege aussehen kann: Vor der Klauenpflege sind Ballen und hintere Sohle durch überlange Klauen überlastet. Im Zuge der Klauenpflege wird die Vorderwand gekürzt und die Sohlendicke entsprechend angepasst. Das führt zu einer optimalen Lastverteilung und einem Gewinn an Trachtenhöhe.

Durchführung der Funktionellen Klauenpflege
Vor der Durchführung der Klauenpflege muss das Tier in der Bewegung und im Stand beurteilt werden. Worauf man dabei achten muss, erfahren Sie im Modul Früherkennung und Prophylaxe.
Die optimale Länge und Dicke der Innen- und Außenklaue
Im nachfolgenden Video führt Klauenpfleger Markus Stumpf Schritt 1 und 2 der Funktionellen Klauenpflege an einer Kuh vom Reimann’schen Betrieb durch:
Zusammengefasst heißt das: Im ersten Schritt wird die weniger belastete Klaue korrigiert, die im Anschluss als Maßklaue dient. Im zweiten Schritt wird die stärker unter Belastung stehende Klaue an die Maßklaue angepasst.
Erkrankungen treten typischerweise an der Belastungsklaue auf. Aus diesem Grund findet man bei der Durchführung des zweiten Schrittes hauptsächlich die folgenden Krankheiten:
- Sohlenspitzengeschwüre
- Sohlenspitzennekrosen
- Sohlengeschwüre
- Doppelsohle
Näheres zu den Krankheiten lesen Sie im Modul Erkrankungen und Diagnoseschlüssel.
Schritt 1 dient der Längenkorrektur der Maßklaue sowie dem Einstellen der Sohlendicke an der Spitze und dem Erhalt der Trachtenhöhe. In Schritt 2 wird die Belastungsklaue angepasst. Wie Markus Stumpf im Video zeigt, muss bei der Durchführung des zweiten Schrittes darauf geachtet werden, dass die Klauen wirklich gleich lang sind. Zudem sollte bei planer Sohlenfläche die Belastungsklaue an die Maßklaue angepasst werden. Sonst entstehen Druckstellen durch eine ungleiche Lastverteilung (siehe Bild 2). Um die Länge zu beurteilen, hält man nach der Korrektur der Maßklaue (Schritt 1) die Klauen an der Vorderwand auf gleicher Höhe und vergleicht die Länge. Für den Vergleich des Höhenunterschiedes peilt man dann über das Sprunggelenk auf die Klauen.

Die Dorsalwandlänge von 7,5 Zentimetern ist in Maßen variabel: Bei schwereren Rassen bzw. Kühen, die mehr als 4-5 Laktationen haben, muss die Dorsalwand etwas länger sein, bei leichteren/ kleineren Kühen oder Rindern darf man etwas mehr wegnehmen. Der Klauenpfleger hat einen Spielraum von 2-3 Millimetern. Hat die Klaue beim Messen bereits die optimale Länge, wird sie nicht gekürzt. Die Sohlenfläche braucht dann ebenfalls nicht bearbeitet werden.
Es gilt immer: Eine zu kurze Klaue ist auch zu dünn, und das führt zu Druckstellen und in der Folge zu Geschwüren. Eine zu dünne Sohle erkennt man daran, dass sie sich eindrücken lässt.

Vorsicht bei Reheklauen! Wenn bei der Messung der Dorsalwandlänge mit der Schablone ein Spalt zwischen Schablone und Dorsalwand auffällt, kann das auf eine chronische Rehe hindeuten (siehe Bild 3). Eine konkave Klaue ist ein typisches Symptom. Das ist wichtig zu wissen, da die Rehe ein Absenken des Klauenbeins verursachen kann. Dann muss die Sohle dicker bleiben (5mm + Tiefe des sichtbaren Spaltes).
Zu Schritt 1 und 2 gehört außerdem die Sohlenbearbeitung. Ziel ist eine ausreichende Stabilität, die auf planen Böden eine gute Fußung ermöglicht. Dabei geht man nach dem Ampelprinzip vor: Im vorderen Drittel der Klaue kann mehr Sohlendicke weggenommen werden (grün), im mittleren Drittel muss je nach vorgefundener Sohlendicke abgewogen werden (gelb) und im hinteren Drittel sollte wenn möglich nicht geschnitten werden (rot). Der Erhalt der Trachtenhöhe hat oberste Priorität, so wird die Klaue nach dem Schnitt wieder korekt belastet. Bei einer zu kurzen Dorsalwand darf keine weitere Bearbeitung vorgenommen werden!
Das Anlegen der Hohlkehlung
Weiter geht es mit Schritt 3, dem Anlegen der Hohlkehlung oder auch „Modell“ genannt. Ziel ist es, den Zwischenklauenspalt von überstehendem Horn zu befreien. Das hat den Zweck, dass kein Schmutz im Zwischenklauenspalt hängen bleibt („Durchlüftung“). Insbesondere aber dient die Hohlkehlung der Biomechanik, der Hornschuh bleibt in diesem Bereich so elastisch.
Beim Schneiden der Hohlkehlung ist auf folgendes zu achten: Sie darf nicht in das vordere Drittel der Sohle hineinragen, an der weniger belasteten Klaue darf sie maximal ein Drittel der Sohlenbreite und an der stärker unter Belastung stehenden Klaue mindestens die Hälfte der Sohlenbreite einnehmen. Die Übergänge müssen glatt sein, sodass sich kein Schmutz festsetzen kann.
Folgende Krankheiten fallen bei Schritt 3 auf:
- Limax
- Zwischenzehenphlegmonen
- Zwischenzehennekrosen
- Rusterholz‘sche Sohlengeschwüre
- Zwischenklauenfäule
Näheres zu den Krankheiten lesen Sie im Modul Erkrankungen und Diagnoseschlüssel.

Wie wichtig das Anlegen einer Hohlkehlung zur Vermeidung von Druckstellen ist, zeigt Bild 4. Durch die Ausdünnung des Horns am typischen Druckpunkt der stärker belasteten Klaue wird die Wahrscheinlichkeit für die Entstehung eines Rusterholz’schen Sohlengeschwürs vermindert. Außerdem wird die natürliche Biomechanik der Klaue unterstützt: Durch die Elastizität im hinteren Bereich der Klaue kann sich das innenliegende Ballenfettpolster beim Auftreten elastisch ausdehnen und somit Druck abdämpfen.
Versorgung von Defekten
Nach Schritt 3 endet die Klauenpflege. In den Schritten 4 und 5 werden bestehende Defekte versorgt.
Weitere Infos zu den Schritten 4 und 5 erhalten Sie im Modul Therapeutische Maßnahmen der Klauenpflege. Ebenso wird dort alles Wissenswerte zur Verwendung von Verbänden und Klötzen erläutert.
Der 6. Schritt der Klauenpflege
Zwar zählt die Funktionelle Klauenpflege offiziell nur 5 Schritte, die Dokumentation als sechster Schritt gehört aber ebenfalls zur Klauenpflege. Es werden alle Befunde dokumentiert, die nach Beendigung von Schritt 3 noch sichtbar sind. Außerdem werden alle durchgeführten Maßnahmen aufgezeichnet. Mithilfe einer sorgfältigen Dokumentation lassen sich bestandsspezifische Schwachstellen aufdecken. So können Verbesserungsmaßnahmen abgeleitet und überprüft werden. Im nachfolgenden Video nennt Markus Stumpf Argumente, die für ihn ausschlaggebend für die Dokumentation der Klauenpflegebefunde und –maßnahmen sind:
Eine Ausnahme bildet die Mortellaro’sche Krankheit: Hier wird auch die Freiheit von Mortellaro’scher Krankheit dokumentiert, um die Entwicklung der Krankheit innerhalb der Herde nachverfolgen zu können.
Regelmäßige Pflege kann Schlimmeres verhindern
Die Funktionelle Klauenpflege lässt sich mit der regelmäßigen Inspektion eines Autos oder Traktors vergleichen. Für den Landwirt sollte die Pflege der Klauen seiner Tiere genauso selbstverständlich sein wie die Wartung seiner Maschinen. Im besten Fall muss man dann nur noch die ersten drei Schritte der Klauenpflege durchführen, da es gar nicht erst zu größeren Defekten kommt!
Die zitierte und verwendete Literatur finden Sie im Impressum.