Die frühzeitige Erkennung und Behandlung von lahmen Kühen und Klauenerkrankungen verbessern die Heilungschancen erheblich. Zeitgleich wird das Wohlbefinden und die Gesundheit der Tiere gefördert, während wirtschaftliche Verluste für den Tierhalter minimiert werden. Doch wie gelingt die frühzeitige Erkennung solcher Tiere? In diesem Modul lernen Sie die Methode der Bewegungsbeurteilung (engl. Locomotion Scoring) kennen und erhalten wertvolle Tipps für die Bewertung Ihrer Tiere.
Was heißt Bewegungsbeurteilung?
Unter dem Begriff Bewegungsbeurteilung wird die Beurteilung des Gangbildes der Milchkuh verstanden, indem man sie beobachtet und „Schulnoten“ vergibt. 1997 wurde das bekannte Locomotion Scoring Verfahren nach Sprecher et al. entwickelt, das fünf Noten für die Beurteilung des Gangbildes vorsieht.
- Note 1: lahmheitsfrei
- Note 2: leicht abnormaler Bewegungsablauf
- Note 3: geringgradig lahm
- Note 4: mittelgradig lahm
- Note 5: hochgradig lahm
Mit einer regelmäßig durchgeführten Bewegungsbeurteilung sollen Lahmheiten frühzeitig erkannt werden. Die meisten Lahmheiten werden meist zu spät entdeckt und führen dann zu schwerwiegenden Klauenerkrankungen und Schmerzen bei der Milchkuh sowie finanziellen Verlusten für den Landwirt. Wichtig für eine gute Klauengesundheit im Betrieb ist es, die Zeit zwischen dem Auftreten und dem Erkennen bzw. der Behandlung der Lahmheit so gering wie möglich zu halten, um schwere Erkrankungsverläufe zu vermeiden (nach J. Huxley).
Umsetzung der Bewegungsbeurteilung im Betrieb
Die Bewegungsbeurteilung kann mit wenigen Hilfsmitteln direkt im Stall durchgeführt werden. Sie benötigen dafür lediglich einen Stift, ein Klemmbrett sowie Erhebungsbögen, auf denen Sie die Tiernummer bzw. Ohrmarke und die Bewegungsnote notieren kannst. Eine Vorlage für einen Erhebnungsbogen können Sie sich am Ende des Moduls herunterladen. Für einen reibungslosen Ablauf bietet es sich an, die Beurteilung mit zwei Personen durchzuführen. Sie können die Tiere aber auch alleine bewerten.
Das notwendige Wissen für die Bewegungsbeurteilung geben wir Ihnen mit diesem Modul an die Hand!
Suchen Sie sich für die Beurteilung einen Ort im Betrieb aus, den die Kühe kennen und wo sie routinemäßig vorbeigehen. Dort sollte der Kuhfluss nicht beeinträchtigt sein, dass heißt, die Tiere sollten ohne zu zögern vorbeigehen oder nicht um Ecken laufen müssen. Zum Beispiel bietet es sich an, die Bewertung nach dem Melken im Rücktrieb durchzuführen oder wenn die Kühe von der Weide zurückkommen. Bitte beachten Sie, dass der geeignete Ort sehr betriebsindividuell ist. Allerdings sollten Sie auf gut beleuchtete, planbefestigte und ebene Laufwege ohne Gefälle achten.

Teilweise kann es sinnvoll sein, bereits bewertete Kühe mit einem Farbstift zu kennzeichnen, z.B. bei Betrieben mit automatischer Melktechnik oder wenn die Bewertung alleine durchgeführt wird. Einfacher ist es natürlich, wenn eine Person für die Beurteilung der Kühe zuständig ist und sich eine weitere Person um das Treiben, Anhalten der Kühe und Ablesen der Ohrmarke kümmern kann.
Um ein optimales Beurteilungsergebnis zu erhalten, sollte jede Kuh von der Seite im Stehen und mindestens 6 bis 10 Schritte im Gehen beobachtet werden.
Indikatoren bei der Beurteilung in der Bewertung
Verschiedene Indikatoren bei der Fortbewegung helfen, der Kuh einer Bewegungsnote zu zuordnen:
- Geschwindigkeit der Fortbewegung
- Bewegungsrhythmus
- Schrittlänge
- Belastung der Gliedmaßen
- Rückenlinie
- Kopfhaltung
Die Geschwindigkeit, mit der sich eine Kuh fortbewegt, lässt sich am besten im Vergleich mit der übrigen Herde bewerten, z.B. beim Verlassen des Melkstandes oder beim Zurückkommen von der Weide. Gesunde Kühe halten ihre Position in der Gruppe, während lahme Tiere das normale Tempo nicht mithalten können und von der Gruppe zurück fallen.
Von gesunden Kühen ist der Bewegungsrhythmus normalerweise regelmäßig und taktisch. Alle Gliedmaßen werden gleichmäßig belastet und die Phasen der Belastung sind auf allen Gliedmaßen gleich lang. Bei Kühen mit einem unregelmäßigen und ataktischen Bewegungsrhythmus liegt eine Lahmheit vor.
Schrittlänge:
Die Schrittlänge ist bei Kühen im Normalfall mit allen Gliedmaßen gleich lang. Die Trittsiegel der Hinterklauen landen in etwa auf der Höhe von denen der Vorderklauen, was als raumgreifender Schritt bezeichnet wird. Lahme Tiere machen mit der betroffenen, lahmen Gliedmaße kürzere Schritte. Ist dabei die Hintergliedmaße von der Lahmheit betroffen, erreicht das Trittsiegel nicht mehr das der Vorderklauen, sondern landet dahinter. Die Schrittlänge ist somit verkürzt.

Belastung:
Die Belastung der vier Gliedmaßen ist bei gesunden Kühen überall gleichmäßig. Lahme Kühe hingegen versuchen, eine Belastung der lahmen Gliedmaße zu vermeiden, Sie nehmen mehr Last mit der gegenüberliegenden Gliedmaße auf, um die betroffene zu entlasten. Ebenfalls kann auf der vermehrt belasteten Klaue ein tiefereres Einsinken der Afterklauen beobachtet werden.
Rückenlinie:
Die Rückenlinie ist bei lahmheitsfreien Kühen im Stehen und in der Bewegung gerade. Schon bei leicht abnormalen Bewegungsabläufen (Bewegungsnote 2) fällt eine leicht gekrümmte Rückenlinie in der Bewegung auf, auch wenn noch keine lahmende Gliedmaße zu sehen ist. Lahme Kühe ab der Bewegungsnote 3 weisen sowohl im Stehen als auch in der Bewegung eine gekrümmte Rückenlinie auf.

Kopfhaltung:
Lahmheitsfreie Kühe bewegen sich mit erhobenem Kopf und die normale Kopfposition ist dabei nur leicht unter der Rückenlinie. In der Bewegung bewegt sich der Kopf nur leicht. Bei lahmen Tieren wird eine deutlich niedrigere Kopfposition beobachtet und in der Bewegung nicken die Tiere mit dem Kopf, um Gewicht von der lahmen Gliedmaße zu nehmen.
Bewertung anhand der Bewegungsbeurteilung
Wie sich die fünf Benotungen für die Bewegungsbeurteilung unterscheiden, haben wir Ihnen in kurzen Videos anhand von Videosequenzen und den jeweiligen Merkmalen dargestellt.
Zielerreichung durch regelmäßige Durchführung
Bei der Bewegungsbeurteilung sollten 85 % der beurteilten Kühe die Noten 1 und 2 erhalten. Dieser Wert basiert auf der Orientierung an den besten Betrieben nach einer Studie von Archer, Bell und Huxley „Lameness in UK dairy cows: a review of the current status“ (2010). Weniger als 15 % der Kühe sollten mit eine Bewegungsnote 3 oder höher bewertet werden.
Für diese Zielwerte sollte schrittweise vorgegangen werden und kontinuierliche Bewegungsbeurteilungen durchgeführt werden. Zu Beginn steht immer eine erste Bewertung für die Feststellung des aktuellen Zustandes der Herde. Als lahm erkannte Kühe sollten dann zeitnah in den Klauenpflegestand und mit entsprechenden Therapieansätzen behandelt werden. Ziel für die nächste Bewegungsbeurteilung sollte es sein, den Anteil der lahmen Kühe mit den Noten 3 bis 5 um 10 % im Vergleich zu dem vorheringen Termin zu veringern.
Wird die Bewegungsbeurteilung regelmäßig im Betrieb durchgeführt und die Tiere entsprechend den Handlungsempfehlungen für die verschiedenen Bewegungsnoten behandelt, lässt sich der Anteil der lahmen Kühe im Betrieb senken. Empfehlenswert ist es die Bewegungsbeurteilung mindestens vierteljährlich durchzuführen. Hier gilt: Je öfters desto besser!
Nun haben Sie alles Wissenswerte zur Bewegungsbeurteilung erfahren und können direkt mit der Vorlage Bewegungsbeurteilung und unserem KLAUENfitnet 2.0 Merkblatt Bewegungsbeurteilung als Hilfestellung beginnen!
Die zitierte und verwendete Literatur finden Sie im Impressum.